Dokument 39: SCHWABENSPIEGEL
Doppelblatt aus einer Handschrift des 15. Jahrhunderts.
Enthält: Artikel 100-109, aufgeschlagen Art. 102 „von echteren“ bis Art. 107 „wie men uz der achte komen sol“.
Bestand 340 von Boyneburg Nr. 4.
Lit.: K. A. Eckhardt, Studia iuris Suevici V: Schwabenspiegel-Normalform (Bibliotheca rerum historicarum, Studia 8, 1972), S. 528-532.
SCHWABENSPIEGEL | |
| Doppelblatt aus einer Handschrift des 15. Jahrhunderts. Enthält: Artikel 100-109, aufgeschlagen Art. 102 („Von echteren“) bis Art. 107 („Wi men uz der achte komen sol“). Bestand 340 von Boyneburg Nr. 4. Druck: K. A. Eckhardt, Studia iuris Suevici V: Schwabenspiegel-Normalform (Bibliotheca rerum historicarum, Studia 8, 1972), S. 528-532 siehe auch ebd. S. 426. |
Im 13. Jahrhundert verfaßten rechtskundige Männer die ersten umfassenden Sammlungen deutschen Rechts: Eike von Repgow zwischen 1220 und 1235 den Sachsenspiegel und ein anonymer Augsburger Franziskaner 1275/76 den – später irreführend so benannten – Schwabenspiegel. Beide Rechtsbücher enthalten Landrecht (mit Strafrecht und Verfahrensrecht) und Lehnrecht, nicht aber Hof- und Stadtrecht. Sie wurden vielfach abgeschrieben, und obwohl sie keine hoheitlich autorisierten Gesetzbücher waren, beeinflußten sie sehr bald normierend die Rechtsprechung in ihren Verbreitungsgebieten.
Der Verfasser des Schwabenspiegels verwertet den Sachsenspiegel sowie fränkische Kapitularien, süddeutsche Stammesrechte, königliche Landfrieden und gelehrtes römisches und kanonisches Recht, um ein allgemeingültiges Kaiserrecht zu entwerfen. Das Rechtsbuch war im süd-, west- und südostdeutschen Raum und im Deutschordensland verbreitet. Es ist in etwa 350 Handschriften erhalten, die sich teilweise erheblich unterscheiden (Kurz-, Normal- und Vulgatform), da der Wortlaut – anders als beim Sachsenspiegel – nicht als verbindlich angesehen wurde. Eine Urform hat K. A. Eckhardt rekonstruiert.
Auch in Hessen war der Schwabenspiegel in Gebrauch. Erhalten sind vollständige Handschriften aus Witzenhausen (Normalform) und Eschwege (Langform). Ausgestellt ist ein Fragment einer Pergamenthandschrift, das 1955 von K. A. Eckhardt als Umschlag einer Boyneburgischen Akte über Kirchhosbach (bei Eschwege) entdeckt wurde. Die Herkunft ist unbekannt. Die gezeigten Artikel beinhalten folgendes: Alle weltlichen Gerichte sind Lehen des Königs. Eine Ächtung ist nach 6 Wochen und einem Tag vor einem anderen Gericht zu erneuern (Art. 102). Versäumnis eines Landdings durch den Herrn verkürzt den Leuten das Recht nicht. Zum gerichtlichen Zweikampf geforderte Hochfreie haben 8 Wochen, Mittelfreie 4 Wochen, Dienstmannen und andere 2 Wochen Vorbereitungsfrist (Art. 103). Laut Kaiser Konstantin und Papst Silvester hat jeder, der gegenwärtig ist, auf Klagen zu antworten (Art. 104). Ein Geächteter muß dem Richter Achtgeld zahlen. Nach 6 Wochen und einem Tag soll der geistliche Richter ihn auf Nachricht vom weltlichen Richter in Bann tun (Art. 105). Wenn ein anwesender Beklagter sich dreimal weigert, vor Gericht zu antworten, wird zugunsten des Klägers und auf Acht entschieden wegen Verschmähung des Gerichts. Er kann nur auf Bitten der Kläger aus der Acht befreit werden. Anwesenheit kann durch 3 Zeugen bezeugt werden (Art. 106). Um aus der Acht zu kommen, muß man dem Richter Bürgen stellen, Frieden schwören und die Kläger so befriedigen, daß sie nach dreimaliger Aufforderung keine Klage vorbringen (Art. 107). G.H.
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