Dokument 36: SIEGEL UND SIEGELSTEMPEL LANDGRAF PHILIPPS DES GROSSMÜTIGEN
Silberner Stempel mit beweglicher Handhabe, geschnitten 1515.
Siegel: Dunketrotes Wachs in brauner Schüssel, Reste der rot-grünen geflochtenen Siegelschnur. Im Siegelfeld die Wappenschilde von Hessen, Katzenelnbogen, Ziegenhain, Nidda und Dietz an einem aus der Legende hervorgehenden Band aufgereiht, zwischen den Wappenschilden von Ziegenhain und Katzenelnbogen die Jahreszahl „1515“; Umschrift: „S(IGILLVM) PHILIPPI: D(EI): G(RATIA):
LANTGRAVII: TERRE: HASSIE: COMIT(IS): IN: CATZE.
Bestand Slg. 5: Siegelstempel IX A Nr.1 und abgefallene Siegel Nr. 202.
SIEGEL UND SIEGELSTEMPEL LANDGRAF PHILIPPS DES GROSSMÜTIGEN | |
| Silberner Stempel mit beweglicher Handhabe, Durchmesser 57 mm |
An Bändern oder Riemen, die vom oberen Siegelrand ausgehen, hängen im runden Siegelfeld die Wappenschilde von Hessen, Katzenelnbogen, Ziegenhain, Nidda und Diez; zwischen ihnen ist die Jahreszahl „1515“ eingraviert; den freien Raum des Siegelfeldes füllen Ranken und Blüten. Die Umschrift lautet: „S(IGILLVM) PHILIPPI: D(EI): G(RATIA): LANTGRAVII: TERRE: HASSIE: COMIT(IS): IN: CATZE“ Auf der Rückseite hat der Stempel eine bewegliche Handhabe, die aus drei Kreisabschnitten gebildet wird, an den Schnittpunkten sitzen Granatäpfel mit Ästen, oben ein mit Schuppen besetzter Knopf, der in der Mitte durch ein gedrehtes Band geteilt ist. Auf der Rückseite sind in vier sich überschneidenden doppeltem Kreisbögen graviert rechts zwei geflügelte Putten, die ein Schriftband (?) halten, links zwei Putten, die sich an den Haaren bzw. Flügeln ziehen und sich treten.
Der Siegelstempel Landgraf Philipps ist der erste erhaltene Stempel eines hessischen Landgrafen; von Landgraf Wilhelm V. (1627) bis zu Kurfürst Friedrich Wilhelm I. ist von jedem Fürsten mindestens ein Typar erhalten. In der älteren Zeit wurden nach dem Tode des Siegelführers die Siegel in feierlichem Akt zerbrochen, um Mißbrauch zu verhüten. Das Siegel Landgraf Philipps ist auf das Jahr 1515 datiert, als Philipp knapp elf Jahre alt war. Besiegelungen mit dem Stempel sind seit Oktober 1515 urkundlich bezeugt, Abdrucke seit November 1515 erhalten. Bei den Urkunden handelt es sich um Neuausfertigungen von Lehnsbriefen oder um Genehmigungen zur Bewittmung mit hessischen Lehnsstücken. Offensichtlich hatte der durch den Tod Landgraf Wilhelms I., des Älteren, am 8. Februar 1515 eingetretene Herrenfall die Anfertigung eines Siegels für den noch unter Vormundschaft stehenden Landgrafen erforderlich gemacht, um die Neubelehnungen, die nach dem Tod des Lehnsherrn erforderlich wurden, besiegeln zu können. Dabei ist ungewiß, ab die Anfertigung des Siegels von der vormundschaftlichen Regierung unter den Herzögen von Sachsen oder von deren Gegenspielerin im Kampf um die Macht in Hessen, der Landgräfin Anna, der Mutter Philipps, veranlaßt wurde.
Das etwas antiquiert wirkende Siegelbild greift auf Vorbilder zurück, die bei den Siegeln der Landgrafen von Hessen seit Mitte des 15. Jahrhunderts, seit dem Anfall der Grafschaften Ziegenhain und Nidda, bezeugt sind. Unmittelbare Vorlage war wohl der Siegelstempel, den sich Landgraf Wilhelm II., der Mittlere, der Vater Philipps des Großmütigen, im Jahre 1500 nach dem Tod seines Vetters, Landgraf Wilhelms III., des Jüngeren, von Oberhessen schneiden ließ; in ihm entspricht die Anordnung der Wappen der auf dem Stempel Philipps; auch hier ist die Jahreszahl „1510“ in die Mitte zwischen die Schilde gesetzt. Es fehlen allerdings die Bänder, an denen die Schilde im Siegel Landgraf Philipps hängen. Das Siegelbild ist noch einmal aufgenommen worden von Landgraf Ludwig von Hessen-Marburg, dem zweiten Sohn Landgraf Philipps. An den beiden Exemplaren des Brüdervergleichs vom 28. Mai 1568 siegelt Ludwig mit einem Siegel, dessen Bild dem Siegel des Vaters entspricht; es fehlt allerdings die Jahreszahl und die auf einem oben offenen eingeschlagenen Bande stehende Umschrift lautet in deutscher Sprache:
„LVDWIG * LANDGRAF * ZV * HESSEN * GRAF * ZV * CATZENELLENBOG“.
Die Umschrift auf dem Siegel Landgraf Philipps greift mit der Titulatur „LANTGRAVII TERRE HASSIE“ auf die in einem 1479 belegten Siegel Landgraf Heinrichs III. von Hessen-Marburg zurück. Auffällig ist die besonders aufwendig gestaltete Handhabe und die gravierte Rückseite, die mit der Darstellung der Putten Motive der zeitgenössischen Druckgrafik übernimmt. Möglicherweise kann diese einen Hinweis auf den bisher unbekannten Goldschmied und den Ort geben, an dem und durch den das repräsentative und qualitätvolle Typar für Landgraf Philipp angefertigt wurde. Neben dem 1515 gestochenen großen Siegel sind für Landgraf Philipp weitere Siegel belegt, die entweder nur den hessischen Löwen im Schild zeigen oder den quadrierten Schild (1. Katzenelnbogen, 2. Ziegenhain, 3. Nidda, 4. Diez) mit dem hessischen Wappen als Herzschild. H.P.L.
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