In den Städten wie in den Dörfern war es den Judengemeinden gestattet, ihren Glauben zu praktizieren und Synagogen zu unterhalten, die der zentrale Ort der religiösen und sozialen Selbstvergewisserung und -organisation waren. Wie die Christen unterhielten auch die jüdischen Gemeinden Schulen, deren besonderes Anliegen der Religionsunterricht war – auf dem Land schlossen sich häufig mehrere Gemeinden zusammen, um eine Schule zu unterhalten. Dabei wurden die jüdischen Schulen ebenso unter staatliche Kontrolle gestellt wie die christlichen – in Kurhessen unter die Aufsicht staatlich bestellter Provinzialrabbiner. Der für die Provinz Oberhessen und damit auch das Marburger Umland zuständige Provinzialrabbiner hatte seinen Sitz in Marburg.
Das ausgewählte Beispiel der Schule Fronhausen aus dem Jahr 1865 zeigt, wie differenziert und wie kritisch die jährlichen Visitationen den Schulbetrieb prüften. Der Bezirksrabbiner kontrollierte die Verhältnisse des Lehrers, die allgemeinen Bedingungen („Gesamtzustand“), vor allem aber den Lernstand („Fortschritte der Jugend“) sowie die Lehrmethoden („Belehrungen, Ermunterungen und Zurechtweisungen“), den Schulbesuch und den Bedarf an materiellen Rahmenbedingungen („Desiderien“). So konnten nicht nur Hindernisse und Probleme benannt, sondern auch deren Behebung begleitet werden. Dies belegt der Bericht über die Schule in Fronhausen für das Jahr 1865. Ohne Umschweife bemerkt der Provinzialrabbiner, dass der Weg der Kinder aus Lohra, welche die Fronhäuser Schule besuchen, im Winter nicht bewältigt werden kann und deshalb ein Lernrückstand zu beklagen ist (Ziff. V. u. III.4). Die Gemeinde Fronhausen unterhielt einen typisch ländlich-bescheidenen Schulbetrieb: Dort unterrichtete ein Lehrer ganze fünf Schüler, wovon drei aus Lohra herlaufen mussten. Zudem handelte es sich um eine „Wechselschule“, denn es wurde „täglich in Fronhausen und [im Wechsel in] Roth unterrichtet“ (Ziff. III, 3). Vor dem Hintergrund dieser einfachen Umstände ist es nicht erstaunlich, dass der Schulerfolg zwischen „gut“, „ziemlich“ und „wenig“ schwankte. Das Pensum stellte zwar den Religionsunterricht in den Mittelpunkt, zu dem das Lesen, die Grammatik und das Schreiben der hebräischen Sprache, Bibelkunde, biblische Geschichte, das Übersetzen der Gebete und des Pentateuch bzw. der Tora gehörten. Und wie in den christlichen Schulen umfasste er auch Unterricht in Schön- und Rechtschreiben, Rechnen sowie die Fächer „Gemeinnützliche Kenntnisse“, „sittliche“ und „Verstandesbildung“.
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