Schreiben Landgraf Philipps von Hessen an seine Frau Mutter, Anna von Mecklenburg, wegen der ihm vorgeworfenen Religions-Neuerung, 1524
Diese Apologie des zwanzigjährigen Landgrafen gehört zu den ersten Erklärungen Philipps zu seinen reformatorischen Überzeugungen und den religiösen "Neuerungen" in Hessen. Das Ermahnungsschreiben seiner Mutter Anna, auf das sich Philipp bezieht, ist nicht mehr vorhanden. Anna starb übrigens im alten Glauben, am 10. April 1525.
Hochgeporne Fürstin freuntliche liebe Frau Mutter.
Ich hab E. L. schreyben nit anders dan freuntlich gemerckt und verstehe E. L. gemut nit anders dan das E. L. ein gute meynung hat wo E. L. recht bericht were als Ich obgotwil hoff das der almechtig E. L. erleuchten werde. Wie nu E. L. geschrieben hat, wie das Ich soll newerung insetzen, da hat man E. L. zu milde bericht. Aber das ich waren solt und der mentschen gewissen verbinden solt in die cloester oder heraus zu gehen oder pleyben, das wil ich obgotwil nit thun. Es steht mir auch solicher Gewalt nit zu, sunder es steth bey eins Iglichen gewissen. Das ich aber solt weren tewtsche mes halten und den Canon Herausserlassen Das kan Ich nit thun und wils nit thun sover als mir got sein gnad nit entzewcht. Wan Ich weis wan Ich es thet so wer es wider Gots gepott.
Das auch E. L. schreibt das der Keyser wurde ursach an mir haben das halt ich nit wan Ich bin ja Got mehr schuldig gehorsam zu sein dan den mentschen wie das Petrus sagt deßgleichen die andern Aposteln wie das E. L. findet in der Aposteln geschichte. Wil Imant mir etwas thun des Wort Gottes halben so wil ich es gern umb gots willen leyden, und wil auch darumb gern verfolget und bewacht sein, und bit got allen dagk das er mir wolle gnade geben das ich es wol thun könne.
Wie auch E. L. schreibt das got wil haben das wir werck sollen thun, das ist war. Aber wir müssen erst einen guten glawben haben, wan der nit da ist so sein die werck falsch. Man mus auch eben warnemen, was vor werck sein wo es die werck sein die got gepotten hat so halten wir sie pillich wo es aber werck sein die wir selbs erdicht haben und dadurch meynen selig from oder gerecht zu werden, oder gnad dadurch zuerlangen, so sein sie nit recht, und darumb darff E. L. mir nit glawben sunder sehn an die Episteln die Paulus schreibt zu den Colossern und er schreibt zu Timoth. So wirt E. L. finden das er den geystlichen standt so clar abmalet das man es wol vernemen kan. So spricht auch Christus in Matheo wan sie werden sagen Hie ist Christus dort ist Christus so glawbt inen nit sunder in eins jglichen hertzen ist er. So spricht auch Petrus das in keinem mentschen oder werck weder im Himmel oder auf erden die seligkeit gelegen sey dan in Christo. So spricht auch got der her zu Moisen in Deuteronomio Du solt nit zu meinem gepot zusetzen oder abthun. Daraus ist je clar das wir nit selbs werck sollen erdencken und sollen uns an gots gepott gnugen lassen, das wir nit halten konnen an sein gnad.
Wie auch E. L. anzeigt der aufzeichnung der Kirchen und Kloester halben da wil ich E. L. nit bergen das ich das keiner andern gestalt halben thun dan das ich besorge dieweyl sovil Münch und Nonnen auslawffen das da nichts antragen werde, wan ich bin nit gneigt Imant etwas zu nemen wan ich bedarff es nit.
Das ich aber sol Prediger hin und her schicken das lewth ich gar nit ich thue es auch pillich den es ist mir von got befolen und thut auch noit das man allenthalben gut prediger schicke, uf das nit durch ungelert lewthe ein Ufrur werde. Es ist auch mein meynung ghar nit das man sol monich und Nonnen das ir nehmen, das Evangelium helt es auch nit in das man Imants soll das sein nehmen.
Beschließlich so ist mein freundlich bit an E. L. das mir E. L. wol zu gut halten das ich E. L. in dem nit volge wan ich bin je got mehr schuldig gehorsam zu leisten wan E. L. Aber in den dingen die got nit antreffen wil ich gern gehorsam sein. Zum andern ist mein freuntlich bit das E. L. wolle das new und alt Testament ansehn und demselben volgen. Ich wil auch E. L. das alt Testament schicken auch sunst etliche Mentschenbucher, die besehe E. L. und wo sie was allegiren so sehe E. L. in dem Newen und alten Testament darnach, ists dan recht so volg E. L. ist es aber unrecht so volg E. L. nit. Ich wil mich auch gegen E. L. und Iderman erbotten haben, kan man mich aus dem Wort gottes beweysen das ich unrecht bin so wil ich gern volgen. Und wil mich hirmit E. L. als meiner lieben Fraw Mutter befolen haben.
Datum Marpurgk [...]
Philips L. z. Hessen
Christoph Rommel, Philipp derGroßmütige, Landgraf von Hessen. III. Band Urkunden, Gießen 1830, Dok. 1, S. 1-3
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